BIM – Erfahrungsbericht digitales bauen im Jahr 2021
Blog Update 4.4.2021
Umsetzung vom Projekt siehe VBlog Aufstockung Gorwiden 17 sowie OPEN HOUSE Einladung
Oft hört man: «BIM funktioniert noch nicht», «lohnt sich nicht», «viel zu kompliziert». In meinen Handwerks-Unternehmen (Beton Manufaktur dade design.com und Schreinerei Timberline.at) haben wir den ersten Corona-Lockdown im Frühling 2020 genützt, um unter der Leitung von Marija Urbaite die BIM Technologie einzuführen. Wie wir das umsetzen; siehe ganz am Schluss.
Anhand eines konkreten Beispielprojekts einer Aufstockung in Oerlikon möchte ich einen aktuellen Einblick in den Schweizer BIM-Status Quo 2021 geben.
Was ist BIM?
BIM steht für Building Information Modelling und ist im Kern ganz simpel: Die Architektur plant in einem dreidimensionalen Modell. Mit little BIM wird dadurch einfach die Planungsgenauigkeit erhöht. Mit big BIM werden Fachplaner und Gewerke wie Holzbau, Fenster, Sanitär, Elektro mit eingebunden. Diese holen sich ihre Informationen aus dem Modell der Architekten, planen mit ihrer eigenen Software und laden ihre (3D) Planung dann wieder in das Modell hoch. Durch diesen Konsolidierungsprozess werden Konflikte, Überschneidungen und Fehlplanungen sichtbar und können in einem Prozess – ähnlich wie SCRUM in der IT Programmierung – in sogenannten Sprints gelöst werden.
Für BIM braucht es drei Zutaten
A) Eine Architekturplanung in 3D (REVIT, ARCHICAD, Vectorworks, Allplan usw..)
B) Eine Konsolidierungs-Software: Wir haben uns für BIMcollab.com entschieden
C) Eine Projektmanagement-Software die Sprints abbilden kann: Wir haben uns für Monday.com entschieden (Alternativen sind Generalisten wie Slack, Asana, Redbooth oder spezialisierte Software wie das Schweizer Startup Buildagil)
Warum BIM?
Der Digitalisiserungsstand in vielen Betrieben nimmt ständig zu. Das heisst konkret – viele Metallbauer, Schreiner etc. planen (in Autocad, Solidworks, RHINO) heute bereits 3D, um ihre CNC & Laser Maschinen anzusteuern.
Durch einen digitalen Austausch der 3D Modelle sollten enorme Effizienzgewinne in der Planung entstehen. Bei vielen Gewerken machen der Verkauf und die Planung bis zu 50% der Wertschöpfung aus.
Weiters sollen Fehler vermieden werden. Jedes Jahr stehe ich auf mindestens einem Dutzend Baustellen, wo Fehler passiert sind. Die Leiter der Gewerke vor Ort haben jedoch nur ihren ausgedruckten und vom Architekten physisch unterzeichneten .pdf Plan und sagen: «Aber ich habe richtig gebaut». Baufehler und Baumängel kosten Unsummen an Geld.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Baugeschwindigkeit. Je klarer die Planung und je grösser die Zusammenarbeit der einzelnen Handwerker auf dem Bau, desto schneller und schlussendlich auch besser ist eine Baustelle beziehungsweise das Resultat. Durch die Koordination mit einer Projektmanagement-Software und einer einzigen «single source of truth» könnten allein für ein kleineres Projekt wie ein Einfamilienhaus tausende Emails eingespart werden. Bei uns waren in unserer Projektentwicklung interne Emails „verboten“ und wir versuchten auch die Fachplaner auf MONDAY zu bringen. Schlussendlich stapeln sich aber auch bei uns wieder hunderte von Emails.
Last but not least dient ein BIM Modell zukünftig auch der Baudokumentation. Im Modell ist zB exakt ersichtlich, wo eine Leitung verläuft oder wo später zB einmal eine PV Anlage eingebaut werden kann. Durch diese Dokumentation soll sich in Zukunft das Facility Management massiv vereinfachen und effizienter werden.
BIM Fitnessprojekt Aufstockung Gorwiden, Zürich
Von April 2020 bis April 2021 lief die Planungs- und Baubewilligungsphase für die zwei eigenen dade APARTMENTS. In der Planungsphase wurde konsequent BIM geplant.
Erkenntnisse:
Projektentwicklung:
3D Planung als Standard. Der Vorteile direkter Visualisierung für den Charakter der Aussenhülle und Optimierung der Grundrisse sind undiskutabel vorhanden. Zudem werden in dieser Projektphase – auch nach SIA – relativ wenige Planungsstunden aufgewendet im Vergleich zum Gesamtprojekt was ein direktes planen in 3D zusätzlich rechtfertigt.
3D Planung ist der neue Standard
Fachplanung Holzbau und HLSE:
Wir haben bewusst Partner gesucht, die eine BIM Abteilung haben und weitere BIM Erfahrungen sammeln möchten. Mit 3Plan (Daniel Bührer) und Renggli (Jeremias Burch) konnten wir zwei äusserst motivierte und aufgeschlossene Partner finden. Dieses Kleinprojekt war eine gute „Übungswiese“ und schnell hat sich eine Routine mit dem .ifc Datenaustausch sowie Kommunikation über MONDAY entwickelt. Das Gesamte Objekt wurde konsequent im BIM Modell geplant und sämtlich Bauteile, von der Türe bis zur Küche, vom Fachwerksträger bis zur Betontreppe angelegt.
Die BIM Fachplanung kann im Jahr 2021 mit „tauglich“ bezeichnet werden.
Baufreigabe & Ausschreibung:
Schnell hat sich gezeigt, dass BIM weder bei den behördlichen Prozessen und Bereinigungen noch bei der Devisierung irgendwelche Vorteile bringt. Ganz im Gegenteil,
die „Erwähnung von BIM“ hat einige Betriebe von einer Angebotslegung abgehalten.
Bei den Vergabegesprächen musste ich immer wieder feststellen, dass die Pläne gar nicht richtig studiert und geschweige denn ein 3D Modell angeschaut wurde. Der BKP ist die Bibel der sich alles unterordnet und diese Bibel funktioniert mit good old .pdf und email. (einige benutzten die SIA Schnittstellen, einige benutzten den Papier/Postweg).
Der Kerngedanke von BIM endet bei der BKP Struktur, Mengengerüsten und Stückpreisen.
Werkplanung:
Spätestens bei der Werkplanung kommt der BIM Prozess gänzlich zum erliegen. Rühmende Ausnahme ist wiederum der Holzbau der von KOST (Adrian Stocker) ausgeführt wird. Sämtliche anderen Gewerke – vom Fenster bis zur Betontreppe, vom Dachabschluss bis zur Fassadenplanung, von den Elektro-Leerrohren bis zur Lüftung gibt es keine BIM Daten. Zwar planen alle Unternehmen digital mit einer Branchensoftware, doch diese Daten lassen sich nicht in ein BIM Modell zurückführen. Klar gibt es auch Betriebe die weiter sind und ihre Daten auch als .ifc zur Verfügung stellen könnten (und möchten). Aus Kosten-Nutzen-Angebotspreisen Überlegung macht das aber ökonomisch absolut keinen Sinn. Und um ganz ehrlich zu sein, ich habe im letzten Drittel der Werkplanung unserer eigenen Architektur „verboten“, das BIM Modell noch weiter nachzuführen.
Die Stundenaufwände multiplizieren sich in dieser Projektphase im Quadrat, der BIM-Nutzen ist absolut nicht gegeben. Auch unser Projekt ist nun ein .pdf Korrex Dropbox Friedhof mit x Planständen und der leisen Hoffnung, dass es dann stimmen wird.
Planungsfehler:
Bei aller Selbstbeweihräucherung zum BIM Projekt (smile) sind uns gravierende Planungsfehler unterlaufen. So mussten zB als eine der letzten zu bereinigenden Auflagen die Dämmwerte gem UGZ signifikant auf 0.12 erhöht werden was die Mauerstärken, Dachabschlüsse und schlussendlich auch das Design entscheidend verändert haben. Das ist äusserst ärgerlich und wäre vermeidbar gewesen. Mit rund 700 Planungsstunden für das Gesamtprojekt (ohne Bauleitung) liegen wir immer noch in der SIA Norm, als effizient kann das aber nicht mehr bezeichnet werden.
Die oberste Divise in einem Bauprojekt, welche ich von Willem Bruijn (ex BaumschlagerEberle) gelernt habe, muss immer lauten:
Vom GROSSEN ins kleine
Wir haben diesen Grundsatz befolgt, aber auch einige Male gravierend verletzt und uns viel zu schnell um Details & Design gekümmert während bspw. der Bodenaufbau, die Dachentwässerung oder Fassade noch gar nicht geplant waren. Auch stelle ich den von uns gewählten Ansatz der sequenziellen Planung in Frage. Viele Fachbereiche hätten schon viel früher (mit externen Fachspezialisten) geplant werden können. Schlussendlich erwächst in mir die Erkenntnis, dass
der Architektur die Disziplin des Designs und Gesamtkoordination obliegt
und alles andere in die Hände von Fachplanern gehört. Schlussendlich ist jeder Fachbereich viel zu spezifisch. Aus ökonomischer Sicht sträuben sich viele Architekten jedoch gegen diese Arbeitsteilung da in der Ausführungsplanung viele Stunden zu Stande kommen und diese Deckungsbeiträge benötigt werden. Hingegen sollte meiner Meinung nach die Architektur noch viel mehr Einfluss auf die Ausführungsdetails legen, denn wenn man das Design den Fachplanern überlässt, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schön.
BIM – wie weiter?
Wie vorgängig ausgeführt ist der neue Standard eine 3D Planung. Diese Planung dient als Ausgangsbasis für die Ausführung und mit .ifc etabliert sich ein Datenformat an das sich nach und nach auch die Branchensoftwares angleichen. Das wird die Konsolidierung der Fachplanungen erleichtern und in 5-10 Jahren wohl Standard sein.
In der Zwischenzeit drängt ich die dringende Frage auf, wie zwischen der Fach- und Werkplanung Nutzen gestiftet werden kann. Ich kann Betriebe verstehen die heute einen Bogen um BIM Projekte machen, weil sie wissen, dass die Planungsaufwände signifikant ansteigen und niemand diese Kosten bezahlt.
Eine mögliche Lösung könnte zB sein, dass Branchenverbände Standardbauteile (zB Stützen, Fenster, Küchen, usw) als .ifc Modelle für Ihre Branche zur Verfügung stellen. Die grosse Herausforderung ist jedoch, dass viele Branchen und Unternehmen ihre Produktdetails gar nicht herausgeben und de facto veröffentlichen möchten.
Der nächste Schritt – und das ist BIM ja eigentlich im Kern – ist dann noch das Thema „gebaut wie geplant“? In diesem Bereich gibt es einige interessante Ansätze von Startups und zB Hilti die mit Robotern die Baustelle vermessen. Die Lagen auf Baustellen digital und automatisiert kennzeichnen und so dem „Meterstrich“ ins digitale Zeitalter verhelfen. In diesem Bereich – da die Werkplanung noch überhaupt nicht funktioniert – wird es wohl noch 10-20 Jahre dauern bis BIM zum Standard wird.
Langer Blog, kurzes Fazit: 3D Planung ja, BIM Umsetzung nein.
Was aber für Betriebe nicht heiss, nichts zu tun.
BIM bei
Unser internes BIM Fitness Projekt in der Betonmanufaktur und Tischlerei wurde in 3 Teile gegliedert:
- BIM Marketing
- BIM Planung
- BIM Vernetzung
Unter BIM Marketing werden wir im Verlauf des Jahres 2021 sämtliche Produkte von uns als .ifc sowie .3DM (RHINO) und .pln (ARCHICAD) auf unserer Website sowie auf spezifischen Plattformen wie Bimobjects.com zur Verfügung stellen. Die ersten Modelle wie für das Betonwaschbecken dade CASSA 60 oder die Betonbadewanne dade WAVE sind bereits verfügbar. Unsere grossen Vorbilder sind VITRA und GEBERIT.
Unter BIM Planung verstehen wir einerseits die eigene Projektentwicklung (siehe Gorwiden) andererseits auch die interne 3D Planung. Seit 2019 planen wir sämtliche Aufträge bereits in 3D, was enorme Vorteile – zB in der Visualisierung des Formenbaus und Vernetzung der Maschinen – bringt. Der nächste Schritt besteht in der konsequenten Nachfrage nach 3D Modellen bei den Auftraggebern für unsere Werkplanungen. Unsere 3D Planung stellen wir danach wiederum als .ifc und .3DM zur Verfügung.
Ziel ist es, 2021 mindestens 3 Aufträge in dieser Form abzuwickeln inkl. einer Freigabe und ohne ein .pdf unterzeichnetes Korrex. Des weiteren haben wir begonnen, das Aufmass mit 3D Scans vorzunehmen. Hier planen wir ein neues Angebot im Bereich Badrenovierung.
Unter BIM Vernetzung verstehen wir unsere interne Durchgängigkeit der 3D Planung. Heute können wir beispielsweise von einem in RHINO gezeichneten Betonwaschbecken (negativ) nicht direkt eine CNC ansteuern, um die Innenkontur (positiv) des Beckens zu fräsen. Auch in der Schreinerei gibt es diverse Medienbrüche zwischen 3D Planung und CNC-Maschinensteuerung, die wir (hoffentlich) überwinden werden.